Samstag und Sonnenschein - die besten Voraussetzungen für eine Stadterkundung. Ich entschloss mich, zur Porta di Roma zu fahren, ein neues Stadtquartier am Autobahnring im Norden mit dem angeblich größten Einkaufszentrum Europas und angeblich allem, was zu neuen Stadtquartieren so gehört. Im Februar 2007 hatte ich schon einmal versucht, mir diese vom römischen Piano Regolatore (eine Art sehr detailreicher Flächennutzungsplan, aber dazu vielleicht ein anderes Mal mehr) so genannte Zentralität anzuschauen. Damals war es eine große Baustelle mit erst wenigen bewohnten Gebäuden, Ikea und einem Baumarkt. Der Bus hielt damals irgendwo, ich lief eine Schnellstraße entlang, riskierte viel und sah wenig, außer eben den Ikeamarkt. Heute sollte alles anders sein. Inzwischen fährt die Buslinie 38 vom Hauptbahnhof Termini bis fast vor die Tür des Shoppingcenters. Nach etwa 40 Minuten Reise erreichen wir das Ziel. Die Bushaltestelle besteht einzig aus einem provisorischen Schild und irgendwie fühle ich mich trotz mehrerer Mitreisenden etwas verloren. Auf einer Art Hügel im Nichts zu meiner Linken weist eine Hütte auf Immobilienverkäufe hin, rechts erstreckt sich das Einkaufszentrum und davor – was auch sonst – ein Zaun.
Ich folge also zunächst den Menschen durch das Portal zum Einkaufszentrum, vor dessen Eingang stabile Fahrradständer stehen und sogar ein angeschlossenes Rad, eine wahre Seltenheit in Rom! Durch den fast unscheinbaren Eingang betrete ich das Center, gehe zunächst am Multiplexkino vorbei, dann an den üblichen Geschäften, die in italienischen (und überhaupt europäischen) Shoppingcentern eben so sind und sich brav auf mehrere Etagen und parallele Reihen verteilen. Auch ein Hypermarkt fehlt nicht: eine Front nimmt auf zwei Etagen Auchan ein. Es kommt mir jetzt nicht unbedingt wie das größte Einkaufszentrum von Europa vor (ich würde sagen: innen ähnlich groß aber in der Gestaltung schlechter wie das Alexa am Alex), aber wahrscheinlich rechnen sie da den Baumarkt, den Ikea und all die leeren ungenutzten Flächen mit.
Kurios sind die Warteschlangen, die sich vor einigen Läden des Zentrums bilden. Während ich die vor Mc Donald’s und der Post noch einigermaßen nachvollziehen kann, verwundern mich jene vor dem Schuster und der chemischen Reinigung. Bei der Reinigung sehe ich dann, dass die Leute ihre frisch gekaufte Kleidung dort gleich aus der Tüte reinigen lassen und bin erst recht verwundert. Das Geheimnis des Schusters hingegen (vielleicht ist es ja der beste von ganz Rom?) bleibt mir ein Rätsel.
Nach meinem Rundgang, dem Studium des Centerplans und Farbkonzeptes sowie einem Stück Pizza verlasse ich das Gebäude und überquere das platzartige Gebilde in Richtung Ikea. Die Rolltreppen, die die Ebenen draußen verbinden, funktionieren erwartungsgemäß nicht. Gemeinsam mit vielen Samstags-Shoppingcenter-Ausflüglern laufe ich durch den einsetzenden Regen und flüchte mich in den Baumarkt. Ich mag Baumärkte und finde sowieso, dass es in Rom zu wenige davon gibt. Also genieße ein bisschen den holzigen Geruch, wundere mich über die eher wenigen Kunden (im Vergleich zu der Schlange vor der Reinigung würde ich fest von Leere sprechen) und verlasse den Markt wieder. Ein Blick in den Eingang von Ikea bestätigt, dass dieser Ikea aussieht wie alle anderen, die ich so kenne. Ich kann das Einkaufszentrum verlassen, habe alles gesehen.
An der Behelfsbushaltestelle wartet eine ziemlich große Menschentraube auf den Bus, ich gehe vorbei und sehe dann vorläufig kaum noch Menschen. Ich gehe auch an den Immobilienverkaufshütten vorbei und die Häuser zu meinen Linken müssen wohl schon zu der neuen Wohnsiedlung gehören.
Sie könnten aber schon 10 Jahre hier stehen, neu sieht irgendwie anders aus. Die Straßen sind leer, von den geparkten Autos mal abgesehen.
Es nieselt leicht. Die neuen Bürgersteige sind wohl zum Teil (noch) nicht fertig gebaut und an einigen Stellen aus unerfindlichen Gründen plötzlich unterbrochen. An Balkonen hängen Verkaufsschilder, irgendwo steht am Straßenrand ein Hinweisschild zu einem Tabakladen. Ich folge dem Schild und hoffe, dass ich dort ein Busticket bekomme. Zwischen Bauzäunen bietet sich ein Blick auf das Einkaufszentrum, das wie ein Ufo in der Landschaft liegt, im Hintergrund zeichnen sich die Berge ab.
Der Tabakladen ist geöffnet, eine junge Frau plaudert mit der Verkäuferin über Zigarettenmarken und ich kaufe zwei Tickets. Wieder auf der Straße fotografiere ich die traurige Ladenzeile, an deren geschlossenen Jalousien die zum Verkauf stehenden Läden beworben werden. Ein Mann geht mit seinem Hund spazieren und schaut böse auf meinen Fotoapparat. Überall sind Zäune und Absperrungen, irgendwie schaffe ich es zur Endhaltestelle einiger Buslinien. Ein letzter Blick auf das Gebiet, ich steige in den Bus und pünktlich fängt es an zu schütten, was den Anblick noch ein wenig trauriger erscheinen lässt. 40 Minuten später bin ich zurück amTermini und die Sonne kommt heraus.
arianeinderstadt | 09. November 08 | Topic Rom | 0 Kommentare
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